Jens Söring in Münchberg: Niemals Opfer sein!

Das Evangelische Bildungswerk hatte Sens Söring zu Gast. Seine Geschichte ging um die Welt, über seinen Fall wurden Dokus und Spielfilme gedreht, in Helmbrechts wurde er auf der Strasse erkannt und angesprochen.

Söring, Jahrgang 1966, Sohn eines Deutschen Diplomaten, wurde 1986 verhaftet und 1990 in den USA für Doppelmord an den Eltern seiner Freundin zu zwei lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Er war 33 Jahre, 6 Monate und 25 Tage in Haft, davon auch in Todeszelle und Isolationshaft.

Am 17. Dezember 2019 kam er auf Bewährung frei und wurde nach Deutschland abgeschoben, ohne dass das Urteil aufgehoben wurde. In den Vereinigten Staaten gilt er weiterhin als verurteilt, allerdings gibt es viele Menschen, die Zweifel an der Schuld hegen.

Im Vortrag ging es jedoch nicht um Schuld oder Unschuld, nicht darum, wer spricht: ein Doppelmörder oder ein unschuldiges Opfer der US-Justiz.

Es ging über die „Rückkehr ins Leben“ wie auch sein neuestes Buch heißt:

Wie kann man nach 14 abgelehnten Begnadigungsgesuchen immer noch kämpfen?

„Frisches Gemüse essen und einen Baum berühren“, für uns alltäglich, für Söring unvergessliche Erfahrungen nach der Entlassung.

Söring, der inzwischen auch als Coach arbeitet, bringt den Begriff der Resilienz: psychische Widerstandskraft: die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen zu überstehen: „Wenn mein Leid für Sie einen Wert hat, dann habe ich etwas richtig gemacht“.

Akzeptanz und das Übernehmen von Verantwortung sind Säulen der Resilienz: Charaktereigenschaften, die es Menschen erlauben, mit Krisen besser fertig zu werden. Zu akzeptieren, dass man selbst verantwortlich ist, ist der Schlüssel, um sich freikämpfen zu können. „Ich musste akzeptieren, dass ich verurteilt worden war. Aber ich musste nicht akzeptieren, dass ich im Gefängnis sterben würde.“

Er spricht von Übernehmen von Verantwortung, um die Opferrolle zu verlassen und von Zielorientierung. Das Publikum ist fasziniert: wem sollte man diese Ratschläge mehr glauben, als dem, der sie als Häftling No. 179212 für sich anwandte? Hier steht kein smarter Manager, sondern derjenige, der im Laufe der einsamen Jahrzehnte Strategien entwickelte, um Ängste und Depressionen zu überwinden und eine schier überirdische Selbstdisziplin entwickelte.

„Ich entschied mich zum Kampf gegen das Fehlurteil, zum Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit“ so Söring.

Freiheit hat er erreicht: Gerechtigkeit nicht. „Daß meine Unschuld nicht anerkannt wurde: mit diesem Stigma muss ich leben. Aber ich bin niemals Opfer“.

Text: Gunther Maasberg
Bild: Jens Söring