Die Nacht von Flossenbürg

– Theater gegen das Vergessen (Bild und Text: Gunther Maasberg)

Auf Einladung des Evangelischen Bildungswerkes gastierte das Ensemble „Theater in der Kirche“ (TIK) in der Münchberger Kirche Zur Himmelspforte. Das Stück „Die Nacht von Flossenbürg“ ist eine dramatische Szenenfolge: ein fiktiver Bericht über Bonhoeffers Todesnacht: was hat sich vom 8. auf den 9. April 1945 in der Zelle des KZ Flossenbürg zugetragen? 4 Wochen vor Kriegsende – 95 km entfernt von Münchberg?

Einen Tisch und zwei Stühle. Mehr braucht es nicht für das Amateurensemble aus Kulmbach. Spielfläche ist der Altarraum, die Zuschauer sitzen in den Kirchenbänken. Als Stück „für den Kirchenraum“ hat Autor Karlheinz Komm sein Werk „Die Nacht von Flossenbürg“ konzipiert. Der Titel lässt erahnen, dass es keine leichte Kost wird.
Denn Flossenbürg – eine Gemeinde in der nördlichen Oberpfalz – hat vor allem durch den Standort eines Konzentrationslagers im Dritten Reich traurige Bekanntheit erlangt. Genau dort spielen sich auch weite Teile des Stücks ab. Genauer gesagt in einer Zelle im Todestrakt.

„Guten Abend. Ich bin seine Mutter. Mein Sohn wurde am 9. April 1945, also einen Monat vor dem Ende des zweiten Weltkrieges, im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.“ Mit diesen Worten wird das Publikum begrüßt. Im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass der „Sohn“ niemand anderes ist als Dietrich Bonhoeffer.

Wir können nur fragen: wie könnte es gewesen sein? Rückblenden zeigen Stationen auf Bonhoeffers Weg, seine Einstellung zum Leben, zum Tod. Sein Verantwortungsgefühl den Menschen gegenüber, aus dem heraus er vom bekennenden Christen und Menschenrechtler zum aktiven Verschwörer wurde., beteiligt am gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944, das als „Stauffenberg-Attentat“ in die Geschichte einging: „Stell Dir vor, ein Wagen rast führerlos eine abschüssige Straße hinab. Unten gehen Menschen. Da gibt es doch nur eins: Man muss in die Speichen des Rades greifen!“

„In den letzten Jahren meines Lebens habe ich mich oft gefragt, wie sie wohl gewesen sein mag, seine letzte Nacht“, erzählt die Mutter weiter. Immer wieder wechselt die Kulisse zwischen dem Wohnzimmer von Frau Bonhoeffer und der Todeszelle ihres Sohnes.“

Dabei stehen viele Gewissensfragen im Raum. „Wie kann ein Pfarrer dafür sein, dass ein Mensch getötet wird?“ So lautet die durchaus berechtigte Frage des SS-Mannes, der den Gefangenen Bonhoeffer in seiner Todesnacht bewacht. Bonhoeffer sagt darauf, man müsse diesen einen Mann, „der ein ganzes Volk nicht nur ins Unglück geführt hat, sondern darüber hinaus in eine unvorstellbare Schuld, die alle Kreise dieses Volkes betrifft“ zum Einhalten bringen – „wenn es sein muss, mit der Waffe“.
Dabei ist sich Bonhoeffer aber durchaus darüber im Klaren, welche Konsequenzen das für ihn selbst nach sich zieht. Er befürwortete den Tod Hitlers, unterstrich aber, dass dies gegen das Gebot Gottes verstoße, wofür er zu büßen bereit sei. Im „festen Glauben an ein neues Sein nach dem Tode, wie immer es auch aussehen mag“, wartete er auf seine Henker.

Der Dialog zwischen Bonhoeffer und dem SS-Wachmann geht unter die Haut: „Ich habe nur meine Pflicht getan, nur Befehle befolgt, durch mich ist niemand umgekommen“  –  „Ich weiß, dass Sie ein sensibler Mensch sind, ich weiß, dass Sie ein Gewissen haben. Und dieses Gewissen wird zu Ihnen sprechen, wird Sie aus dem Schlaf reißen: wie viele haben Sie gerettet? Nur die Umkehrung Ihres Satzes zählt!“ Nachdenklich und ergriffen hört man die Mutter aus Briefen lesen, die Bonhoeffer im Gefängnis schrieb und die später unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ veröffentlicht wurden: „Noch lieben wir das Leben, aber ich glaube der Tod kann uns nicht mehr sehr überraschen. Warum sollte Gott sich die Mühe gemacht haben, seinen Sohn als Menschen auf die Erde zu schicken, wenn mit dem Tode sowieso alles aus ist?“

Was für eine Energie und was für eine Aktualität steckt in diesen 77 Jahre alten Worten in Zeiten von heutigem Krieg, Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus und neobraunem Tagesgeschehen! Erinnerung als Mahnung gegen das „ewig gestrige“, gegen das „Vorwärts in die Vergangenheit“ und für das: „Nie Wieder!“

Theater für das Leben und gegen das Vergessen: Wenn es den Begriff nicht schon gäbe, müsste er für dieses Stück erfunden werden.

„Gib Kraft zu tragen, was Du schickst. Lass die Furcht nicht über mich herrschen“: so betet der zum Tode verurteilte Bonhoeffer und dichtet noch 1945: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“